Alles was Recht ist

offenes Buch Gesetzbuch

Die Sache mit den Paragrafen

Kindertageseinrichtungen als Lebensmittelunternehmer

Wer heutzutage in Kindertageseinrichtungen mit dem Thema Verpflegung in Berührung kommt – sei es bei der Vor- und Zubereitung, Ausgabe, Essensverteilung oder der Begleitung bei Tisch –, gilt im Sinne der EU-Verordnung 178/2002 (Art. 3, Abs. 2) als Lebensmittelunternehmer und ist für die Einhaltung bzw. Umsetzung rechtlicher Bestimmungen verantwortlich.

Das Gros der Vorschriften betrifft den hygienischen Umgang mit Lebensmitteln sowie die Kennzeichnung bei angebotenen Speisen. Oberstes Ziel ist dabei der Gesundheitsschutz der betreuten Kinder.

Einen kurzen, praxisorientierten Überblick über das, was für Kitas im Umgang mit Lebensmitteln relevant ist, geben wir im Folgenden.

  • Zusatzstoffe kennzeichnen
  • Allergieauslöser kennzeichnen
  • Nährwertdeklaration ist freiwillig
  • Kontrollpflicht bei Auslobung von Bio-Lebensmitteln
  • Bestrahlte bzw. gentechnisch veränderte Lebensmittel kennzeichnen
  • Fluoridiertes Speisesalz nur mit Ausnahmegenehmigung
  • Verbot von Rohmilch sowie Rohrahm
  • Verbot roheihaltiger Speisen
  • Kritische Lebensmittel sachgerecht zubereiten
  • Untersuchung des Trinkwassers
  • Gutes Hygienemanagement mit Eigenkontrollsystem und Hygieneunterweisungen des gesamten Kita-Teams
  • EU-Zulassungspflicht für Kita-Küchen, die andere Einrichtungen beliefern

 

Betrifft die Kennzeichnung

Werden bei der Speisenzubereitung vorverarbeitete Zutaten verwendet, können Zusatzstoffe (auch als E-Nummern bezeichnet) ins Spiel kommen. Gemäß Paragraf 5 der Lebensmittelzusatzstoff-Durchführungsverordnung (LMZDV − § 5) ist auf die Verwendung von Farbstoffen, Konservierungsstoffen, Geschmacksverstärkern etc. hinzuweisen – idealerweise über Fußnoten (z. B. in Form von Zahlen) an den entsprechenden Mahlzeiten(komponenten) im Aushang nebst erklärender Legende (siehe Übersicht mit Beispiellegende). So können Eltern und Interessierte selbst entschlüsseln, welche Zusatzstoffe im Kinderessen enthalten sind.

Auf Grundlage der Lebensmittel-Informationsverordnung (LMIV) ist die verpflichtende Kennzeichnung von Stoffen oder Erzeugnissen geregelt, die häufig ursächlich für Allergien oder Unverträglichkeiten sind. Im Anhang II der EU-Verordnung 1169/2011 sind
14 Allergieauslöser gelistet; eine nationale Durchführungsverordnung klärt auf, wie Kitas & Co. ihr Speisenangebot zu kennzeichnen haben. Auch dies kann beispielsweise über eine ausgehängte Legende mit Fußnoten erfolgen, die sich allerdings von denen der Zusatzstoffkennzeichnung zu unterscheiden haben.

Die Auslobung von Nährwerten ist auf freiwilliger Basis möglich. Von der Pflicht zur Kennzeichnung der „Big 7“ (Brennwert, Fett, gesättigte Fettsäuren, Kohlenhydrate, Zucker, Eiweiß und Salz) bei unverpackt abgegebenen Speisen („lose Ware“) in Kindertageseinrichtungen hat der Gesetzgeber abgesehen (LMIV, Art. 30-35).

Großküchen, die Bioware verwenden und damit werben wollen, müssen sich grundsätzlich durch eine Öko-Kontrollstelle überprüfen lassen. Kindertageseinrichtungen, die das Essensangebot vor Ort selbst sowie für den Eigenbedarf zubereiten und dabei ökologische Lebensmittel einsetzen, sind von dieser Pflicht ausgenommen, da sie zu den „nicht gewerbsmäßig betriebenen Einrichtungen“ zählen. 

Geregelt ist dies in der Anfang Oktober 2023 in Kraft getretenen Bio-Außer-Haus-Verpflegung-Verordnung (Bio-AHVV), die die Produktion, Kontrolle und Kennzeichnung von Bio-Zutaten und -Erzeugnissen in gemeinschaftlichen Verpflegungseinrichtungen wie Kitas und Schulen festlegt.

Insgesamt bietet die neue Gesetzeslage nun mehr Klarheit in der Kennzeichnung von Bio-Zutaten sowie Anreize für deren Einsatz in Gemeinschaftsverpflegungseinrichtungen. Im Rahmen der Bio-AHVV hat der Gesetzgeber darüber hinaus ein neues Logo geschaffen, mit dem zukünftig auch Kitas den geldwerten Anteil ihrer Bio-Lebensmittel am gesamten Wareneinsatz für die Erziehungsberechtigten ihrer kleinen Tischgäste transparent darstellen können. Voraussetzung für die Verwendung dieses Labels ist jedoch eine verpflichtende Zertifizierung durch eine zugelassene Öko-Kontrollstelle. Je nach Höhe des prozentualen Öko-Anteils wird entweder das Bio-AHV-Logo in Bronze (20–49 %), in Silber (50–89 %) oder in Gold (90–100 %) vergeben. Wird eine Nutzung dieses Kennzeichen angestrebt, hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft einen Flyer mit Hinweisen zur Umsetzung einer Zertifizierung für betreffende Einrichtungen – zum kostenfreien Download – zusammengestellt.

Grundlage für die neue Bio-AHVV ist das Öko-Landbaugesetz, das u. a. die Vorgaben der 2022 überarbeiteten EU-Bio-Basisverordnung Nr. 2018/848 in deutsches Recht umsetzt.

Auch wenn die Verwendung bestrahlter oder kennzeichnungspflichtiger gentechnisch veränderter Lebensmittel selten der Fall ist und in Kitas erfahrungsgemäß keine Relevanz hat, müssen entsprechende Gerichte im Speiseplan korrekt gekennzeichnet werden. (Vgl.
§ 3 Lebensmittelbestrahlungsverordnung | EU-Verordnung 1829/2003).

Wer bei der Speisenzubereitung mit fluoridiertem Speisesalz würzt, benötigt auf Grundlage von § 68 Abs. 1 und 2 Nr. 1 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs (LFGB) eine Ausnahmegenehmigung, die beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) zu beantragen ist. Zusätzlich ist ein zentraler Aushang mit einem denkbaren Wortlaut „Wir verwenden fluoridiertes Jodsalz – weitere Fluoridgaben (z. B. in Tablettenform oder als Zahnpaste) bitte nur nach Rücksprache mit Ihrem Kinderarzt geben“ Pflicht. 

Betrifft Lebensmittel

Durch § 17 der tierischen Lebensmittelhygiene-Verordnung (Tier-LMHV) ist die Abgabe von Rohmilch und Rohrahm an Einrichtungen zur Gemeinschaftsverpflegung, wie etwa Kitas, explizit verboten.

Dieselbe Verordnung trifft in § 20 a, Abs. 2 überdies folgende Regelung bezüglich der Abgabe roheihaltiger Speisen in Gemeinschaftseinrichtungen: Da Kita-Kinder zu den besonders sensiblen Personengruppen der YOPIs (YOPI steht für young = Junge | old = Alte | pregnant = Schwangere | immunosuppressed = immungeschwächte Personen) zählen, dürfen eihaltige Speisen nur sachgerecht durcherhitzt ausgegeben werden.

Werden (Klein-)Kinder versorgt, sollten Einrichtungen den Empfehlungen des Bundesinstitutes für Risikobewertung (BfR) folgend, auf die Ausgabe besonders kritischer Lebensmittel verzichten. Sie sind im Merkblatt „Sicher verpflegt“ zusammengefasst.

Leitungswasser als optimaler Durstlöscher wird im Rahmen der Trinkwasserverordnung (TrinkwV) in Deutschland sehr streng untersucht. Öffentliche Einrichtungen, zu denen auch Krippen und Kindergärten zählen, sind demnach verpflichtet, das Trinkwasser jährlich durch einen qualifizierten Probennehmer untersuchen zu lassen. Bei Fragen zu dem Thema ist das örtliche Gesundheitsamt der richtige Adressat.

Betrifft Hygiene

Die Vorschriften zur Lebensmittelhygiene sind größtenteils europaweit vereinheitlicht. Sie sehen ein umfassendes Hygienemanagement mit folgenden Grundzügen vor:

  • Eine gute Hygienepraxis im Küchenalltag, die sich aus den drei Bereichen Lebensmittelhygiene, Küchenhygiene und Personalhygiene zusammensetzt. Die wichtigsten „Hygieneregeln in der Gemeinschaftsgastronomie“ sind in einem Merkblatt zusammengefasst.
  • Ein Konzept zur Eigenkontrolle nach HACCP, das zur Lenkung bzw. Beherrschung gesundheitlicher Gefahren beim Umgang mit Lebensmitteln dient.
  • Regelmäßige Hygieneunterweisungen aller Mitarbeitenden mit Kontakt zu Lebensmitteln:
    1. eine jährliche Hygieneschulung (gemäß Anhang II, Kap. XII EU-VO 852/2004 über Lebensmittelhygiene – in Verbindung zu § 4, Abs. 1 und Anlage I Lebensmittelhygiene-Verordnung [LMHV]) und
    2. eine Belehrung nach Infektionsschutzgesetz (§ 43 IfSG) im 2-Jahres-Rhythmus, der eine Erstbelehrung beim zuständigen Gesundheitsamt vorausgegangen sein muss. Beide Unterweisungen sind schriftlich zu dokumentieren und aufzubewahren.

Betrifft die EU-Zulassung von Kita-Küchen, die andere Einrichtungen beliefern

Produzieren selbstkochende Kitas nicht nur für ihre eigenen kleinen Tischgäste, sondern geben mehr als ein Drittel der produzierten Essensportionen an andere Einrichtungen (auch Kitas des gleichen Trägers) ab oder liefern in einem Umkreis von mehr als 100 km aus, benötigen sie eine sogenannte EU-Zulassung, sofern rohe tierische Lebensmittel verarbeitet wurden (Tier-LMHV, §§ 6 und 9). Dazu zählen beispielsweise frisches Fleisch, Hackfleisch, frische Fischereierzeugnisse, ganze Eier und Honig. Werden dagegen wärmebehandelte Milch und Erzeugnisse daraus wie z. B. Käse und Joghurt, verarbeitete Fleischerzeugnisse (Schinken, Salami etc.) oder Fischereierzeugnisse (geräucherter, marinierter Fisch) verwendet, besteht keine Zulassungspflicht.
Fällt man als Einrichtung in die Kategorie EU-zulassungspflichtiger Betrieb ist in Niedersachsen das Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) die zuständige Behörde, an die ein formloser schriftlicher Antrag auf Erteilung einer Zulassung gestellt werden muss. Weitergehende Informationen beispielsweise zum Ablauf des Zulassungsverfahrens finden sich auf der Website des LAVES.

 

Hinweis für die Kindertagespflege: Die rechtlichen Vorgaben gelten in Niedersachsen auch für Kindertagespflegestellen, die Kinder außerhalb des eigenen Haushalts betreuen. Gemäß EU-VO 852/2004, Art. 6, Abs. 2 müssen auch sie sich bei der zuständigen Behörde erfassen lassen. Abweichend davon gelten in Niedersachsen Tagespflegepersonen, die bis zu fünf Kinder in ihren privat genutzten Räumen betreuen nicht mehr als Lebensmittelunternehmer und sind somit von der Registrierungspflicht ausgenommen (EU-VO 852/2004, Art. 1, Abs. 2). Davon unbenommen obliegt ihnen die Sicherheit der anvertrauten Kinder, so dass sie ihrer Sorgfaltspflicht hinsichtlich einer guten Hygienepraxis selbstverständlich nachkommen müssen.

Haben Sie Fragen zu den rechtlichen Rahmenbedingungen in Ihrer Einrichtung? Erste Anlaufstelle zur Beratung ist die örtliche Lebensmittelüberwachungsbehörde.
Wenden Sie sich gern auch an uns – wir sind zu erreichen unter:
Tel. 0531 618310-31 oder E-Mail an kitavernetzung@vzniedersachsen.de