Nachgefragt! 7 Fragen zum Einsatz von Bio-Lebensmitteln in Kindertageseinrichtungen
Ein Interview mit Frau Hanisch, der Geschäftsführerin des Umweltzentrums Hannover, zur Regionalpartnerschaft des bundesweiten Programms „Bio kann jeder“.
1. Frau Hanisch, Nachhaltigkeit in der Ernährung wird immer mehr zum Thema. Ist es sinnvoll, es bereits im Kleinkindalter aufzugreifen? Was für einen Beitrag können Kinderbetreuungseinrichtungen hinsichtlich einer klimaschonenden Verpflegung leisten?
Das Thema aufzugreifen ist keine Altersfrage, besonders in der Situation in der wir uns mit dem Klimawandel befinden; Es ist eine grundsätzliche Einstellung. Deswegen sollte Nachhaltigkeit in der Ernährung schon Kindern unbedingt nähergebracht werden. Auch Lebensmittel wertzuschätzen und nicht zu verschwenden gehört dazu. Gemeinschaftseinrichtungen wie Kitas sind gute Ankerpunkte, weil sie Multiplikatoren sind und die Möglichkeit haben, ein Bewusstsein für das Thema zu schaffen. Sie können mit Eltern kommunizieren und über eine klimaschonende und nachhaltige Ernährung aufklären. Außerdem können sie die Verpflegung bei sich in der Einrichtung steuern und zum Beispiel maximal einmal pro Woche Fleisch anbieten, aber gleichzeitig regelmäßig mit Hülsenfrüchten starten. Je eher diese eingeführt werden in der Kinderernährung desto besser. Denn die Geschmacksbildung findet im Kleinkindalter statt, deswegen ist es besonders wirkungsvoll schon in jungen Jahren mit möglichst viel Gemüse in Kontakt zu kommen, es haptisch kennenzulernen. Es ist sinnvoll mit einer nachhaltigen Ernährungsweise im Kindesalter zu starten, wenn das Lernen noch eine große Rolle spielt.
2. Stichworte „Küche“ und „Kita-Team“: Was sind wichtige Voraussetzungen, damit mehr Bio-Lebensmittel in Kinderbetreuungseinrichtungen eingesetzt werden?
Für ein gutes Gelingen ist es optimal, wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen, zusammenarbeiten und sich austauschen. Das heißt sowohl Leitung, pädagogische Mitarbeitende und das Küchenteam haben eine gemeinsame Grundidee und möglichst einen Plan für die Umsetzung. Einzelne Engagierte können viel wollen, aber alleine nur wenig umsetzen. Hier ist es wichtig sich Mitstreitende zu suchen, auch in der Elternschaft. Die Elternschaft und das Küchenteam können gemeinsam dann Leitung und Pädagogik mitnehmen. Auf alle Fälle sollten alle informiert und aufgeklärt werden, zum Beispiel in dem die Informationen aus einem Bio-kann-jeder-Workshop weitergegeben werden. Der Workshop kann auch vom ganzen Kita-Team besucht werden.
Ein Kita-Team sollte für sich klären, was die eigene Verantwortung ist, Speisepläne analysieren und sich fragen: Was wollen wir eigentlich? Ist das eine gute Idee mehr Bio ins Konzept, ins Leitbild aufzunehmen?
Der Workshop liefert genügend Argumentationshilfen, auch gegenüber Eltern, um vor allem über Bio aufzuklären. Es sollte kein Halbwissen zu Bio erzählt werden: Es ist ein geschützter Begriff, und nur wo Bio draufsteht, ist auch Bio drin. Informationen und Argumentationshilfen können auf den Webseiten von Ökolandbau, dem NQZ, IN FORM und Ihrer Seite der Kitavernetzungsstelle abgerufen werden.
3. Wie gelingt ohne viele Mehrkosten der Einstieg in die Bio-Küche und mit welchen Schritten und Zielen kann es weitergehen?
Die erste Hürde ist eine Bestandsaufnahme: Wie kochen wir überhaupt? Was haben wir für ein Budget und was für Kosten fallen wofür an? Ganz entscheidend sind hier die verfügbaren Mittel für den Wareneinsatz.
Ist das bekannt, können klare Ziele formuliert werden. Wie viel soll in Bio-Qualität umgesetzt werden? Gibt es schon etwas, das in Bio gemacht wird und lässt sich das ausbauen?
Nehmen wir an, 20 Prozent der Mittagsverpflegung sollen in Bio umgesetzt werden. Dieses Ziel wird formuliert und kommuniziert. Der nächste Schritt ist die Frage: Wie gelingt das?
Am besten, indem mit bestimmten Produktgruppen gestartet wird, zum Beispiel Nudeln. Wie viele Nudeln werden pro Jahr verbraucht und was kostet das? Was würde es kosten dieselbe Menge Nudeln in Bio-Qualität einzukaufen? Und ist das wirklich mit Mehrkosten verbunden?
Bei Kartoffeln und Möhren gibt es zum Beispiel keine gravierenden Preisunterschiede zwischen konventionell und bio. Hier kann angefangen werden, das sind einfache erste Schritte in der Umsetzung.
Parallel muss der Blick auf den Speiseplan geschärft werden, und es müssen Veränderungen erfolgen, denn eine Eins-zu-eins-Umsetzung geht in der Regel nicht. Rezepturen anpassen, mehr saisonal denken und neue Gerichte einführen – das ist oft der schwierigste Punkt und Rezepte sind deswegen in unseren Workshops heiß begehrt.
In Projekt-Kitas im Nachbarland Bremen, die ihre Verpflegung zu 100 Prozent auf Bio umstellten, zeigte sich zum einen ein individueller Arbeitsaufwand bei der Umsetzung, je nachdem wie die Verpflegung zuvor gestaltet wurde. Zum anderen konnten Mehrkosten durch Anpassungen im Speiseplan auf rund 10 Prozent eingedämmt werden – das sind gerade einmal 10 Cent pro Gericht pro Kind mehr, wenn wir von Wareneinsatzkosten von durchschnittlich 1 Euro pro Kind ausgehen. Diese Relation muss man sich vor Augen führen, auch um Träger und Elternschaft bei dem Thema zu überzeugen.
Als nächstes wird abgeklärt welche Bio-Lieferanten in Frage kommen. Hier kommt es auch auf die Größe der Kita an. Während sich für große Einrichtungen mit Lagerkapazität der Bio-Großhandel eignen kann, ist für kleine Einrichtungen oft eine Bio-Gemüsekiste ausreichend oder der Direktkauf beim Bio-Landwirt in der Nähe. Es kann vereinbart werden, dass monatlich beispielsweise eine bestimmte Menge an Kartoffeln abgenommen wird.
Möglicherweise ist momentan ein guter Zeitpunkt für Kitas zum Umschwenken auf mehr Bio, denn im Zuge der aktuellen Preissteigerung bei Lebensmitteln entwickeln sich die Preise im Bio-Bereich derzeit weniger stark nach oben.
4. Können Sie uns Beispiele nennen für besonders kindgerechte Gerichte, die sich gut mit Bio-Lebensmitteln umsetzen lassen?
Am einfachsten ist die klassische Bolognese. Der Wareneinsatz wird günstiger, wenn das Hackfleisch – in Bio-Qualität – reduziert und stattdessen beispielsweise rote Bio-Linsen eingesetzt werden. Kostet eine von 100 Portionen der klassischen Hackfleisch-Bolognese etwa 1,30 Euro, verringern sich die Kosten pro Portion schon auf 1 Euro, wenn 50 Prozent des Hackfleischs gegen Linsen getauscht werden. Das Fleisch ganz mit Hülsenfrüchten zu ersetzen senkt den Preis auf etwa 70 Cent pro Portion. Zugleich wird das Klima geschont, und eine Verringerung des Fleischverzehrs ist außerdem gesundheitsfördernd. Die Abänderung der Bolognese hin zu Hülsenfrüchten sollte aber schrittweise erfolgen, damit sich die Kinder an die Haptik und den neuen Geschmack gewöhnen können – und der Darm an die Verdauung von Hülsenfrüchten.
Bratlinge gehen auch gut. Statt Fleisch-Frikadellen können Bratlinge aus Hirse und saisonalem Gemüse angeboten werden. Bratlinge aus Kidneybohnen und mit Haferflocken helfen über die gemüsearme Zeit hinweg. Die Würzung der Bratlinge kann ganz ähnlich sein wie die der Frikadelle. Zugleich sind Bratlinge vielfältig einsetzbar und kombinierbar, sei es als Burger-Bratling oder mit Kartoffelbrei, warm genossen oder kalt.
Hilfreiche Rezeptdatenbanken für die Bio-Küche gibt es zum Beispiel von IN FORM, beim NQZ gibt es Speisepläne und tolle Rezepte sind auch hier auf der Webseite der Vernetzungsstelle zu finden. Für Kitas eignet sich ebenfalls Biospeiseplan.de, wo sie sich einmalig kostenlos registrieren müssen, danach aber anpassbare Speisepläne und Rezepte finden und einen gut handhabbaren Planer erhalten, der die Kosten für die Gerichte in 100 Prozent Bio-Qualität errechnet.
5. Wie können sich Einrichtungen engagieren, die das Mittagessen von einem Cateringunternehmen beziehen und kaum Einfluss auf dessen Lebensmittelauswahl haben?
Kitas, die mit Essen beliefert werden, können bei der Bestellung darauf achten, nicht zu fleischlastig zu bestellen, sondern klimaschonende, pflanzenbetonte Gerichte auszuwählen. Oft lohnt es sich mit dem Caterer zu sprechen und die Wünsche darzulegen. Durch pädagogisches Kochen mit Kindern kann auf neue Produkte vorbereitet werden, die dann beim Caterer bestellt werden.
Ansonsten besteht über das Frühstück, über Rohkostteller und kleine Ergänzungen zum Mittagessen die Möglichkeit, Bio-Produkte in die Verpflegung aufzunehmen. Manche Kitas übernehmen das Frühstück ganz oder teilweise und es werden keine von Eltern gepackten Brotdosen mitgegeben. So kommt es dann nicht zu unerwünschtem Inhalt, und durch das gemeinsame Frühstück oder beim Nachmittagssnack ergibt sich zusätzlich viel Spielraum für Ernährungsbildung.
Wenn Feste wie Geburtstage anstehen, haben Kitas direkt bei der Anmeldung des Kindes in der Einrichtung die Möglichkeit, auf bestimmte Standards im Essensangebot hinzuweisen. So können sie die Elternschaft anstupsen, sodass frische Sachen wie Gemüsesticks und Stückobst auf dem Tisch landen, wenn das Kind Geburtstag feiert.
Was die Kinder in der Kita begeistert, tragen sie zurück in die Familien und dann ist auch oft eine Veränderung im Mittagsbereich möglich, wenn die Elternschaft mit im Boot sitzt.
6. Wie können Kinder direkt mit einbezogen werden? Haben Sie Tipps zur Umsetzung von Ernährungsbildung in der Kita?
Ernährungsbildung ist ganz wichtig und wertvoll auf unterschiedlichen Ebenen. Kinder lernen Wertschätzung des Essens, wenn sie selbst bei der Zubereitung beteiligt waren und sind eher bereit, Neues zu probieren. Gleichzeitig wird ihnen die Möglichkeit gegeben, ein Lebensmittel zu fühlen, zu riechen, die Farbe zu sehen: Sieht das Lebensmittel innen genauso aus, oder anders? Es ist wichtig, dass Kinder auch einmal die Hände tief in Teig stecken können, fühlen können, wie das ist, zum Beispiel beim Brötchenbacken. Solche Kochaktionen sind oft nur möglich, wenn Kitas personell entsprechend aufgestellt sind; aber kleine Sachen sind eigentlich immer möglich. Zum Beispiel über das Einbeziehen der Kinder in die Erstellung eines Wunschspeiseplans – am besten ein wenig gelenkt durch eine vorgegebene Auswahl klimaschonender Gerichte. So wird das Engagement zum Thema Essen gefördert.
Ganz toll ist auch das Gärtnern mit Kindern, den Fragen nach zu gehen: Wie wächst was? Wie sieht es aus? Einfach mitzuerleben, wie Tomaten die Farbe ändern, zu lernen, dass Pflanzen gegossen werden müssen und auch das Schnecken den Salat genauso gerne mögen. Super ist auch Pflückobst wie Himbeeren und Blaubeeren. Über das Gärtnern schafft man sich tolle Anknüpfungspunkte an die Themen Insekten und Biodiversität und kann zum Beispiel Wildbienen beobachten.
Es gibt viele Möglichkeiten zur Verzahnung, es eignen sich auch Umweltbildungsprojekte wie unser Angebot „Clever buddeln“ für Einrichtungen in der Region Hannover, bei dem Teile des Kitageländes mit Kindern umgestaltet wird zu Gemüsebeeten, Blumenstreifen und Hochbeeten. Jede Kita braucht eigentlich ein Hochbeet! Da sind ganz viele tolle Gartenprojekte möglich, wie auch von den AckerRackern, die bei einem Konzept dazu Unterstützung bieten.
Das sind alles viele kleine Schritte in die richtige Richtung. Der wichtigste ist der erste Schritt.
7. Was macht aus Ihrer Sicht einen regionalen „Bio kann jeder“-Workshop aus und wie können Kinderbetreuungseinrichtungen teilnehmen?
Das Zusammenkommen verschiedener Kitas aus einer Region! Sie tauschen sich aus, teilen Erfahrungen untereinander und lernen voneinander: Was funktioniert in der eigenen Einrichtung gut, was nicht? Der direkte Austausch im Workshop ist wertvoll, und es sind alle dabei, also Leitung, Pädagogik, Küchenteam, Träger, Praktikanten – da kommen Personen mit viel Erfahrung und Personen mit weniger Erfahrung zusammen, und das bringt Ideen hervor. Die Vielfalt bereichert den Wissensaustausch.
Zudem geht es um regionale Strukturen, um regionale Anbieter, um Direktvermarktung. Es ist auch ein „Wer kennt wen?“-Treffen, und es werden Adressen ausgetauscht.
Rund wird ein „Bio kann jeder“-Workshop durch eine Praxiseinheit. Das kann ein Lieferant sein, der sich vorstellt, eine Begehung eines Bio-Markts oder Bio-Hofs. So wird den Teilnehmenden transparent gemacht, warum Bio meistens teurer ist als konventionell Hergestelltes, und sie sehen, wie dort gearbeitet wird, lernen die Menschen kennen und hören denen zu, die dahinterstecken. Es kann aber auch eine praktische Kocheinheit sein, bei der neue Rezepturen auf ihre Praxistauglichkeit getestet und natürlich verkostet werden, oder ein Austausch mit einer Best-practice-Kita, ganz nach dem Motto: Wie seid ihr dahin gekommen?
Da findet ganz viel Inspiration statt, und am Ende gehen alle hoch motiviert aus dem Workshop raus und wollen starten. Unsere Workshops sind generell für alle offen: Kommunale Träger, Elternvertreter, Caterer und Personen aus der Politik sind willkommen, einfach alle, die mit dem Thema zu tun haben und mitwirken.
Workshop-Termine finden Kitas auf unserer oder der Webseite von Ökolandbau. Mehrere Kitas einer Region können bei uns auch Termine anfragen und einen Workshop für sich kreieren.