Bildungsauftrag
Übersicht
Der gesetzliche Rahmen zur frühkindlichen Bildung ist durch das Sozialgesetzbuch – Achtes Buch (SGB VIII) gesteckt und wird, durch die Hoheit der Länder bedingt, zum Teil durch eigene Gesetzgebungen ergänzt. In den Bundesländern wird der gesellschaftliche Auftrag in Bildungspläne übersetzt. Ein Bezug zur Ernährungsbildung ist nur indirekt erkennbar; Anknüpfungspunkte an die Lernbereiche sind jedoch vielfältig.
Auf einen Blick
- Der Auftrag zum Erziehen, Bilden und Betreuen ergibt sich für Kindertagespflegepersonen aus dem Sozialgesetzbuch – Achtes Buch.
- Die Bildungspläne der Länder konkretisieren den frühkindlichen Bildungsauftrag.
- Der Lern- und Lebensort Mahlzeit bietet vielschichtiges Bildungspotenzial in allen Bildungsbereichen.
- Bildung wird als Selbstbildung des Kindes verstanden – mit dem Ziel der Entwicklung von Kompetenzen und Handlungsfähigkeit auch beim alltagsbegleitenden Thema Essen und Trinken.
Im Gespräch mit Kindertagespflegepersonen
Kindertagespflegepersonen haben einen gesetzlichen Auftrag zur Erziehung, Bildung und Betreuung der ihnen anvertrauten Kinder. Das schließt auch die Verpflegung mit ein, so Mahlzeiten während der Betreuungszeit stattfinden. Da inzwischen über 1,8 Mio. Kinder bundesweit täglich mehr als sieben Stunden betreut werden (Stand 26.09.2024) ergibt sich ein idealer, familienergänzender Lern- und Lebensort zur Gesundheitsförderung, der durch Kontinuität und Verlässlichkeit, bei gleichbleibenden Bezugspersonen, geprägt ist.
Indem Verpflegung zur Querschnittsaufgabe geworden ist, fällt Kindertagespflegepersonen eine große Verantwortung ‒ aber auch Chance ‒ zu, durch ausgewogen und nachhaltig gestaltete Mahlzeiten für eine faire Ernährungsumgebung im Betreuungsalltag zu sorgen. Damit untrennbar verbunden werden Kindern alltagsintegrierte Regeln und Rituale rund um den Esstisch vermittelt und durch formale Ernährungsimpulse ergänzt. Der rechtsverbindliche Auftrag zur Ernährungsbildung leitet sich indirekt aus dem Sozialgesetzbuch (Achtes Buch) und dem Bildungsplan des jeweiligen Bundeslandes ab.
Im Gespräch mit Erziehungsberechtigten
Durch Aufteilung der Betreuung ist Verpflegung zur Gemeinschaftsaufgabe geworden. Daher sind vermehrt externe Bezugspersonen an der Prägung kindlicher Essgewohnheiten beteiligt: Kindertagespflegepersonen können Familien verlässlich dabei unterstützen, Kinder zu einem ausgewogenen Essverhalten anzuregen. Sie bieten ihnen dabei Lerngelegenheiten rund um das Thema Essen und Trinken, damit sie von klein auf zu eigenständigen, nachhaltig handelnden Persönlichkeiten heranwachsen. Kindertagespflegepersonen haben hierfür einen rechtsverbindlichen Bildungsauftrag und orientieren sich bei der Erfüllung an normativen Bildungsplänen des für sie zuständigen Ministeriums. Gerade bei den Mahlzeiten können Kompetenzen wie Körperbewusstsein, mathematisches Grundverständnis etc. erworben werden.
Ausführliche Informationen
(1) Gesetzlicher Auftrag zur Bildungsbegleitung in der Kindertagesbetreuung
Sozialgesetzbuch – Achtes Buch | Der Auftrag zur Bildungsarbeit in der Kindertagespflege leitet sich bundesweit aus dem Sozialgesetzbuch – Achtes Buch (SGB VIII) ab. Demnach sollen Betreuungskräfte Kinder in ihrer sozialen, emotionalen, körperlichen und geistigen Entwicklung fördern und sie auf dem Weg zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit unterstützen. Der Förderauftrag setzt sich aus dem Erziehen, Bilden und Betreuen des Kindes zusammen und wird von den zuständigen Ministerien der einzelnen Bundesländer in Bildungs- bzw. Erziehungsplänen oder Leitlinien weiter konkretisiert. Sie beschreiben, wie die rechtlichen Grundlagen des SGB VIII in der Praxis umgesetzt werden sollen.
Durch das SGB VIII hat das Thema Qualitätssicherung in der Kindertagesbetreuung eine Verbindlichkeit erhalten, wodurch (institutionelle) Träger die Qualität der Förderung durch geeignete Maßnahmen zu gewährleisten bzw. weiterzuentwickeln haben. Pädagogische Konzeptionen bilden die Basis zur Erfüllung dieses Förderauftrags. Ein darin integriertes Verpflegungskonzept greift den Ernährungskontext auf und beschreibt Erziehungsberechtigten gegenüber transparent die Ausgestaltung des Essalltags (siehe Verpflegungskonzept).
Bildungs- und Orientierungspläne | Die Bildungsministerien der Bundesländer geben Bildungspläne heraus, die sich in einzelne Bildungsbereiche wie Sprache, Musik, Mathematik/ Naturwissenschaften, Ethik/ Religion sowie Körper, Bewegung und Gesundheit gliedern. Dadurch ist der Rahmen gesteckt, den pädagogische Fachkräfte mit ihrer Betreuungstätigkeit im Elementarbereich verfolgen sollen. Ernährung selbst ist nur in einem Bundesland verankert; in anderen lassen sich Anknüpfungspunkte finden – mit der Möglichkeit, das Thema mittelbar zu verorten.
Die meisten Bildungspläne legen Wert darauf, das Lernverhalten und Entwicklungsfortschritte jedes einzelnen Kindes zu beobachten und zu dokumentieren. Dieses Vorgehen dient der Qualitätsentwicklung bzw. -sicherung und sollte sich auch auf kindliche Ernährungs- bzw. Alltagskompetenzen ausdehnen (siehe Kompetenzen).
(2) Ernährungsbildung im Kontext von Bildungsplänen
Transfer des Bildungsauftrags in den Essalltag | Ernährungsbildung findet von klein auf in Elternhaus und Kindertagesbetreuung statt. Rein rechnerisch besteht vom ersten Geburtstag bis zum Wechsel in die Schule an rund 1.000 Betreuungstagen die Möglichkeit, Kompetenzen beim Essen und Trinken bzw. im Umgang mit Lebensmitteln in einer Kindertagespflegestelle zu erlernen und das eigene Essverhalten weiterzuentwickeln.
Hinter dem komplexen Thema Verpflegung steckt im Hinblick auf frühkindliche Bildung weit mehr als das Angebot von Mahlzeiten oder deren Einnahme: Ernährung und damit verbundene Kompetenzen sind für die Horizonterweiterung der Kinder sowie die Ausprägung gesundheitsfördernder Verhaltensmuster von zentraler Bedeutung. Ein Zugewinn an Fähig- und Fertigkeiten wird Kindern beispielsweise im Erleben von Vor- und Zubereitung, Essenssituationen oder pädagogischen Angeboten ermöglicht. Der Essalltag bietet unter anderem folgende Lernpotenziale:
- Halt und Sicherheit durch wiederkehrende Speisenangebote
- Wertschätzung von Nahrungsmitteln
- Gleichberechtigung bei alltagsnahen Tätigkeiten
- Zutrauen/ Selbstwirksamkeitserwartung bei der gemeinsamen Zubereitung
- Gedächtnistraining, zum Beispiel beim Aufsagen von Tischsprüchen oder -gebeten
- Erforschen, Experimentieren und Entdecken von Lebensmitteln
- Training der Fein- und Grobmotorik, beispielsweise beim Schälen, Schneiden oder Vermengen von Lebensmitteln
- Wahrnehmung körpereigener Signale wie Hunger, Durst oder Sättigung
- Wortschatzerweiterung für Lebensmittel und Haushaltsgegenstände
- Umgangsformen und (Benimm-)Regeln bei Tisch
- Selbstständigkeit beim Essen
- Erkennen von Gefahrensituationen im hauswirtschaftlichen Bereich
- Wahrnehmung von Tagesstrukturen und wiederkehrenden Arbeiten
- Herkunft von Lebensmitteln und Einkaufsmöglichkeiten
- Erkundung des Zahlenraums zum Beispiel beim Abzählen von Geschirr und Besteck
- Kennenlernen von Maßeinheiten durch Wiegen, Messen etc.
- Gestaltung einer ansprechenden Atmosphäre beim Essen
- Nachahmen von Situationen durch Rollenspiele oder So-tun-als-ob-Spiele rund um das Thema Essen und Trinken (im Einkaufsladen oder Gemüsegarten, in der Kinderküche oder an der Kaffeetafel)
- Schmeck- und andere Sinnesexperimente
- Erleben von Naturkreisläufen
- Übernahme alters- bzw. entwicklungsentsprechender Verantwortung
- Kennenlernen (inter-)kultureller und religiöser Vielfalt und (Ge-)Bräuche beim Essen
Bildungsbegleitung | Im sozialen Miteinander bzw. in der Interaktion zwischen der Kindertagespflegeperson und den betreuten Kindern vollziehen sich Lern- und Bildungsprozesse. Bei deren Begleitung liegt das Hauptaugenmerk darauf, das Autonomiebestreben der Kinder zu fördern und Entwicklungsimpulse so zu gestalten, dass Selbstlernprozesse möglich sind. Voraussetzung dafür sind reflektierte Vorbilder mit berufsbiografischer Haltung (siehe Begleitung) sowie ernährungspädagogischen Kompetenzen.
Stand: 11/2024
Quellen
- Deutsche Gesellschaft für Ernährung (2023): DGE-Qualitätsstandard für die Verpflegung in Kitas. 6. Auflage, 2. korrigierter und aktualisierter Nachdruck. Bonn
- Heinis, M. (2022): Essen und Ernährung in der Kindertagespflege. Deutsches Jugendinstitut; zuletzt geprüft am 16.08.2024
- Heseker, H., et al. (2019): Ernährungsbezogene Bildungsarbeit in Kitas und Schulen. Schlussbericht; zuletzt geprüft am 16.08.2024
- Niedersächsisches Kultusministerium (2018): Orientierungsplan für Bildung und Erziehung; zuletzt geprüft am 16.08.2024
- Gutknecht, D. und Höhn, K. (2017): Essen in der Kinderkrippe. Verlag Herder, Freiburg im Breisgau
- Bundesministerium der Justiz: Sozialgesetzbuch (SGB) – Achtes Buch (VIII) – Kinder und Jugendhilft; zuletzt geprüft am 16.08.2024
- Deutsche Gesellschaft für Ernährung: Ernährungsbildung; zuletzt geprüft am 16.08.2024
- Schule und Recht in Niedersachsen: Niedersächsisches Gesetz zur Ausführung des Achten Buchs des Sozialgesetzbuchs (Nds. AG SGB VIII) und zur Niedersächsischen Kinder- und Jugendkommission; zuletzt geprüft am 16.08.2024
- Deutscher Bildungsserver: Umsetzung der Bildungspläne für Kindertageseinrichtungen in den Bundesländern; zuletzt geprüft am 16.08.2024