Begleitung

Übersicht

Das eigene Essverhalten sitzt immer mit am Tisch – dieser Redewendung folgend sollte sich jede Kindertagespflegeperson ihrer eigenen Essbiografie bewusst sein, um Kinder professionell durch den Ess-Alltag begleiten zu können. Auch die Wortwahl der Kindertagespflegeperson kann das Essverhalten von Kindern beeinflussen.

Auf einen Blick

  • In der Kindertagespflegestelle sind Essen und Trinken Teil des pädagogischen Auftrags und unterliegen zugleich der Persönlichkeit der jeweiligen Kindertagespflegeperson.
  • Die Selbstreflexion der eigenen Essbiographie ermöglicht Kindertagespflegepersonen das Entwickeln und Leben einer professionellen Haltung im Betreuungsalltag.
  • Ihr Selbstverständnis können Kindertagespflegepersonen über ihr pädagogisches Konzept inklusive Verpflegungsleitbild kommunizieren.
  • Das Mitessen eines pädagogischen Happens dient der Vorbildfunktion und ermutigt Kinder, Speisen zu probieren.
  • Ein gesundheitsförderndes Essverhalten baut auf einer intakten Selbstregulation der Nahrungsaufnahme auf. Hunger- und Sättigungssignale der Kinder sollten daher bewusst erkannt und achtsam verstärkt werden.
  • Eine bewusste Wortwahl erleichtert die Kommunikation mit Kindern und sollte im Einklang mit Verhaltensweisen und der Gestaltung der Mahlzeitensituation stehen.
  • Bewusstes Loben mittels wertfreier Beschreibung fördert jedes Kind individuell und kann Konkurrenz untereinander vermeiden.

Im Gespräch mit Kindertagespflegepersonen

Die Hintergründe des eigenen Essverhaltens zu reflektieren, ermöglicht, das eigene Handeln und Einstellungen im Berufsalltag zu verstehen. Zudem kann so eine Abgrenzung hin zur professionellen Haltung gelingen, die Kindern das Entwickeln eines Essverhaltens ermöglicht, ohne von privaten Vorlieben und Abneigungen der Kindertagespflegeperson geprägt zu werden. Das Selbstverständnis kann Erziehungsberechtigten gegenüber zum Beispiel über ein Kapitel zur Verpflegung im pädagogischen Konzept verdeutlicht werden.

Im Gespräch mit Erziehungsberechtigten

Durch außerfamiliäre Betreuung lernen Kinder auch durch Orientierung an anderen Bezugspersonen zu essen und zu trinken. Die Gemeinschaft bietet dabei eine Chance für jedes einzelne Kind, über den Tellerrand zu blicken und neues zu entdecken. Die Ausrichtung ihres Handelns an aktuellen wissenschaftlichen Empfehlungen bei der Mahlzeitengestaltung machen Kindertagespflegepersonen über die Beschreibung der Verpflegung im pädagogischen Konzept transparent.

Ausführliche Informationen

(1) Reflexion des eigenen Essverhaltens

Um Kinder beim Essen und Trinken begleiten zu können sollte sich eine Kindertagespflegeperson zunächst mit dem eigenen Essverhalten auseinandersetzen. In der Kindheit gemachte Erfahrungen sowie verinnerlichte Glaubenssätze sind zum Teil bis ins Erwachsenenalter prägend und beeinflussen möglicherweise das berufliche Handeln.

Biographiearbeit | Oftmals nehmen die Einstellungen und Erfahrungen unbewusst Einfluss auf das eigene Verhalten und die Kommunikation rund um Essen und Trinken. Es ist ratsam, einmal sowohl die erlebten positiven als auch negativen Erfahrungen für sich selbst zu beleuchten und herauszufinden, wie sie sich auf das eigene Vorgehen auswirken. Von Kindheitserlebnissen abgesehen, beeinflussen im Verlauf des Lebens weitere Situationen das Essverhalten (zum Beispiel Essen im Urlaub, zu Festen oder bei Verwandtenbesuchen).

Selbstreflexion | Welche Erfahrungen mit Essen in der Kindheit sind in Erinnerung geblieben? Eine Reflexion von Erlebnissen bringt oftmals Aufschluss über das eigene Essverhalten. Hilfreich ist zudem die Auseinandersetzung mit der Frage, ob eine Mahlzeit anders begleitet wird, wenn das servierte Essen den eigenen Vorlieben entspricht.

Wichtig ist, zwischen Regeln und Ritualen im privaten und beruflichen Kontext zu unterscheiden und sich auch dieser Unterschiede bewusst zu werden. Selbstreflexion gehört zum professionellen Handeln dazu und ist ein fortlaufender Prozess der Weiterentwicklung und Qualitätssicherung.

(2) Professionelle Haltung

Kindertagespflegepersonen sind zwei verschiedene Rollen inne: Die der Privatperson (zum Teil auch gleichzeitig Elternteil eines der betreuten Kinder) und die der betreuenden Kraft. Es empfiehlt sich, sich beider Rollen bewusst zu sein. So kann eine Vorbildrolle beim Essen gestaltet werden, die Kinder bei der Entwicklung eines ausgewogenen Ernährungsverhaltens verantwortungsbewusst und authentisch unterstützt.

Transparenz | Es schafft Transparenz und Vertrauen gegenüber Erziehungsberechtigten, wenn Kindertagespflegepersonen ihr Verpflegungsangebot nach aktuellen wissenschaftlichen Empfehlungen ausrichten und als Verpflegungsleitbild im pädagogischen Konzept beschreiben (siehe Verpflegungskonzept).

Unterstützungsmaterial | Abgesehen von Seminaren und Austausch mit anderen Kindertagespflegepersonen bieten verschiedene Materialien zur Selbstevaluation die Möglichkeit, die persönlichen Kompetenzen zu stärken. Dazu gehören zum Beispiel Selbstevaluationsbögen des Bundesverbands für Kindertagespflege (siehe Literatur- und Medienhinweise).

(3) Begleitung von Mahlzeiten

Hunger- und Sättigungssignale | Damit Kinder ein gesundheitsförderndes Essverhalten entwickeln können, sollten Kindertagespflegepersonen achtsam mit kindlichen Signalen wie Hunger, Durst und Sättigung umgehen und den bewussten Umgang mit diesen Gefühlen bei Kindern unterstützen. Zu frühkindlichen Hungersignalen zählen zum Beispiel:

  • Zuwenden des Kindes zur betreuenden Person/ einer sichtbaren Speise
  • Brabbeln, erzählen
  • Hand des Kindes streicht über Mund und Bauch
  • Führen von Besteck zum Mund

Bei älteren Kleinkindern bietet es sich an, zu fragen, ob sie (noch) Hunger/ Durst haben. Fragen und Aufforderungen, die Kinder auf Körperempfindungen aufmerksam machen (zum Beispiel Fühl in deinen Bauch hinein. Bist du satt?/ Möchtest du noch etwas essen?) und sie für diese sensibilisieren, eignen sich besser als die plakative Frage: Bist du fertig?

Sättigung zeigen junge Kinder nonverbal zum Beispiel durch:

  • Abwenden des Körpers und Blickes von der Bezugsperson/ der Speise
  • Kopfschütteln, Zappeln
  • Spielen mit dem Essen

Ablenkungen am Esstisch, Überzeugungsversuche noch einen Löffel mehr zu essen, und Aussagen, die das Aufessen fördern sollen, setzen sich über die Selbstregulation und Selbstbestimmung des Kindes hinweg und etablieren möglicherweise Gewohnheiten, die ein ungünstiges Essverhalten befördern. Auch darf Essen weder als Strafe noch als Belohnung eingesetzt werden, denn das kann Kinder dahingehend prägen, sich mit Lebensmitteln zu trösten oder emotionale Bedürfnisse mit Essen zu befriedigen. Langfristig können sich daraus Übergewicht und Essstörungen ergeben.

Kinder essen, was sie möchten | Kinder wählen aus einem für sie bereitgestellten Speisenangebot (siehe LebensmittelgruppenSpeiseplanung), was sie essen möchten. Mag oder traut sich ein Kind an ein Lebensmittel oder eine Mahlzeitenkomponente nicht heran, isst es von dieser nur wenig oder sogar gar nichts und weicht auf andere aus. Es ist unerheblich, wenn die Möhre verschmäht, der Kohlrabi aber begeistert gegessen wird. Wichtig ist, dass die Wahl beispielsweise nicht zwischen einer Möhre und einem Schokoladenpudding besteht. Gleichzeitig darf das Aufessen der Möhre keine Voraussetzung für ein Schälchen Nachtisch sein, was als Strafe oder Belohnung wahrgenommen werden könnte.

Überprüfung von Werten | Eine angenehme Essatmosphäre (siehe Essatmosphäre), in der Kinder Essen und Trinken entwicklungsentsprechend erlernen können, schafft Sicherheit und Vertrauen. Erwartungen und Anforderungen der Erziehungsberechtigten, zum Beispiel ein sattes Kind abzuholen, oder der Kindertagespflegeperson, zum Beispiel keine Speisereste wegschmeißen zu müssen, können diesem Ziel mitunter entgegenwirken: Beispielsweise fördert ein Zwang zum Aufessen, obwohl ein Kind bereits satt ist, eine Distanz des Kindes zu seiner eigenen Bedürfniswahrnehmung. Zudem kann eine solche negative Erfahrung auch spätere Mahlzeiten beeinflussen, den Esstisch mit Stress behaften oder sogar zu einem gestörten Essverhalten führen. Darunter kann auch das Vertrauens- und Beziehungsverhältnis zur Kindertagespflegeperson leiden.

Der Einfluss von Worten | Die Wirkung von Sprache wird oftmals unterschätzt. Verweigert ein Kind eine Mahlzeit oder isst nicht auf, helfen Aussagen wie Iss auf, sonst scheint morgen die Sonne nicht oder Wenn du das Gemüse nicht isst, bekommst du keinen Nachtisch nicht weiter. Stattdessen üben sie Druck auf das Kind aus und vermitteln dem Kind den Eindruck, dass mit seinem Essverhalten etwas nicht stimmt. Ungewollt wird so essen über das Hungergefühl hinaus gefördert.

Gleichzeitig kann Sprache die Selbstständigkeit der Kinder fördern. Binden Kindertagespflegepersonen Kinder bei hauswirtschaftlichen Tätigkeiten mit ein, kann es sein, dass entwicklungsentsprechend auch mit einem Messer umgegangen wird. Die Ermahnung Das Messer ist scharf, sei vorsichtig! vermittelt eine Gefahr. Besser wäre zum Beispiel die Formulierung Das Messer ist scharf, sei achtsam!, denn so wird deutlich, dass dem Kind der Umgang zugetraut und seine Fähigkeit geachtet wird.

Die eigene Wortwahl in verschiedenen Situationen zu hinterfragen, lohnt sich, um eine wertschätzende, gewaltfreie Kommunikation mit Kindern in den eigenen Sprachgebrauch zu implementieren. Empfehlenswert sind folgende Aspekte:

  • Kinder unter 3 Jahren anzusehen und aus unmittelbarer Nähe mit ihrem Namen anzusprechen, signalisiert dem Kind deutlich Ansprache und Wertschätzung.
    • Mit Kindern in ganzen Sätzen zu sprechen und diese aktiv zu formulieren, signalisiert dem Kind deutlich Ansprache. Zugleich steht es im Mittelpunkt und wird nicht in seiner Handlung gehemmt, zum Beispiel Linus, bitte schiebe die Schüssel rüber anstatt Die Schüssel wird bitte rübergeschoben oder Linus, bitte sei leiser. Ich kann Anna nicht verstehen anstatt Es ist zu laut. Ich kann Anna nicht verstehen.

Mitessen | Gemeinsam eingenommene Mahlzeiten sind ein soziales Erlebnis. Wichtiger Bestandteil ist das Mitessen der Kindertagespflegeperson, wenn bereits alle Kinder selbstständig essen können. Als Bezugsperson ist sie Vorbild. Was sie mit Genuss isst, signalisiert den Kindern, dass diese Speise lecker und sicher ist. So trauen sich Kinder eher, eine unbekannte Speise zu probieren (siehe Selbstbestimmung). Durch abwertende Worte oder durch Mimik der Kindertagespflegeperson werden Kinder in ihrem Essverhalten beeinflusst, und das Mittagessen wird unter Umständen nicht so gut ankommen. Besonders in der Begleitung der Mahlzeiten ist daher eine professionelle Haltung wichtig. Der pädagogische Happen komplettiert das Vorbild am Esstisch und stützt die Mahlzeitensituation.

Jüngere Kinder profitieren in der Interaktion beim Füttern zum Beispiel davon, dass die Kindertagespflegeperson das Mundöffnen vormacht und mit Lautmalerei den guten Geschmack der Speise unterstreicht.

(4) Lob und Anerkennung

Entscheidend ist, dass beim Loben weder Charakter noch Persönlichkeit des Kindes beurteilt, sondern entwicklungsentsprechende Fortschritte auf wertfreie Weise beschrieben werden. Kinder beispielsweise für konkrete Dinge im Ess-Alltag zu loben, fördert ihr Selbstbewusstsein – selbst dann, wenn sie Anerkennung für etwas erfahren, dass sie schon längere Zeit beherrschen. Zudem trägt das anlassbezogene Lob zu einer angenehmen Atmosphäre am Esstisch bei (siehe Essatmosphäre).

Stets bestärkt zu werden macht Kinder allerdings abhängig von Lob. Es verunsichert sie, wenn eine Anerkennung ausbleibt und kann umschlagen in das Gefühl, kritisiert zu werden. Ständiges Loben führt dazu, dass sich Kinder bei Erwachsenen für ihre Tätigkeiten rückversichern wollen und es ihnen schwerfällt, eigene Einschätzungen vorzunehmen. Zudem kann Konkurrenzdenken begünstigt werden. Hingegen wertfreies und beschreibendes Lob zu erfahren, fördert das Entwickeln eigener Bewertungskriterien bei Kindern und nimmt den Druck weg, immer der oder die Beste sein zu wollen.

Partizipation | Werden Kinder an verschiedenen Tätigkeiten rund um die Mahlzeitensituation beteiligt, können sie von der Kindertagespflegeperson ermutigt werden, zum Beispiel durch wertfreie Beschreibungen ihres Tuns:

  • Du hast den Quark gerührt.
  • Du deckst den Tisch mit Tellern.
  • Du hast an unsere Servietten gedacht.
  • Du hast Dir selbst etwas zu trinken genommen.

Jedes Kind wird gleichermaßen gesehen und erfährt Aufmerksamkeit, ohne sie einfordern zu müssen. Das kann ein friedliches Miteinander fördern, weil keine Konkurrenz untereinander entsteht. Unsichere Kinder fassen so möglicherweise eher den Mut, Neues zu wagen, weil sie nicht „versagen“ können:

  • Du versuchst, die Erbsen auf den Löffel zu schieben. Das ist schwierig. Jetzt überlegst Du, wie Du es schaffst.

Sollen positive Aspekte hervorgehoben werden, sollten diese direkt benannt werden:

  • Dass Du Eure Gläser mitgebracht hast, hat mich entlastet.

Stand: 11/2024

Quellen

  • Netzwerk Gesund ins Leben (2023): Wie gelingt das gemeinsame Essen mit Kleinkindern am Familientisch? Nachgefragt bei Gesund ins Leben; zuletzt geprüft am 16.08.2024
  • Abou-Dakn, M. et al. (2022): Ernährung und Bewegung im Kleinkindalter. Aktualisierte Handlungsempfehlungen des bundesweiten Netzwerks Gesund ins Leben. Monatsschrift Kinderheilkunde, Springer Medizin, https://doi.org/10.1007/s00112-022-01519-3
  • Bundesverband für Kindertagespflege (2022): Essen und Trinken in der Kindertagespflege. Ein Arbeitsbogen zur Selbstevaluation
  • Heinis, M. (2022): Essen und Ernährung in der Kindertagespflege. Deutsches Jugendinstitut, München
  • Bundesverband für Kindertagespflege (2021): Meine Kompetenzen als KindertagespflegepersonArbeitshilfe zum Kompetenzprofil Kindertagespflege
  • Bundesverband für Kindertagespflege (2021): Qualitätsmerkmale in der Kindertagespflege. Ein Arbeitsbogen zur Selbstevaluation
  • Bundeszentrum für Ernährung (2020): Sprache in der Ernährungsbildung. Zeitgemäß kommunizieren; zuletzt geprüft am 16.08.2024
  • Gräßer, M. und Hovermann, E. (Hrsg. | 2019): Portfolio, Lerngeschichten & Co. Entwicklungsschritte von Kita-Kindern erkennen, sichtbar machen und dokumentieren. Klett Kita GmbH, Stuttgart
  • Gutknecht, D. und Höhn, K. (2017): Essen in der Kinderkrippe. Achtsame und konkrete Gestaltungsmöglichkeiten. Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau
  • Methfessel, B. et al. (2016): Essen und Ernährungsbildung in der Kita. Entwicklung – Versorgung – Bildung. Kohlhammer, Stuttgart
  • Bostelmann, A. und Fink, M. (2014): Mahlzeiten in der Krippe. Lernchancen erkennen und Essensituationen einfühlsam begleiten. Bananenblau UG, Berlin
  • Bundesverband für Kindertagespflege: FAQs Mahlzeitengestaltung in der Kindertagespflege; zuletzt geprüft am 16.08.2024
  • Nentwig-Gesemann, I. (2022): Achtung Kinderperspektiven! Potenziale einer Pädagogik ‚vom Kind aus‘. Pädagogische Horizonte, 6(1)
  • Nedebock, U. (2019): Essen mit Kita-Kindern. Die kleinen Hefte. Cornelsen, Berlin
  • Zydatiß, B. (2018): Anerkennung statt Lob im Umgang mit Kita-Kindern. Die kleinen Hefte. Cornelsen Verlag, Berlin