Regeln und Rituale

Übersicht

Kinder rund um die Mahlzeiten einzubeziehen, ist Teil der Ernährungsbildung. Regeln und Rituale geben dabei eine wiederkehrende Struktur, an der sich Kinder orientieren können und die ihnen Sicherheit gibt. Jede Familie sowie jede Kultur hat eigene Strukturen, die es sich lohnt, im Aufnahmegespräch abzuklären, um ein Kind mit seiner individuellen Essbiographie gut in den Betreuungsalltag einzugewöhnen.

Auf einen Blick

  • (Klein-)Kinder orientieren sich beim Essen am Verhalten der Kindertagespflegeperson und ahmen sie nach.
  • Durch Lieder, Tischsprüche und Co. können Kinder Mahlzeitensituationen aktiv mitgestalten.
  • Kinder können in die Zubereitung von Speisen und die Vor- und Nachbereitungen miteinbezogen werden.
  • Wiederkehrende Strukturen rund um die Mahlzeitensituation helfen Kindern unter anderem dabei, die Essenszeit von der Spielzeit abzugrenzen.
  • Kinder mit verschiedenen kulturellen Hintergründen bringen eigene Anforderungen an Strukturen und Rituale in die Kindertagesbetreuung mit.

Im Gespräch mit Kindertagespflegepersonen

Mahlzeitensituationen sollten wiederkehrenden Ritualen und Regeln innerhalb des Tages, der Woche und auch des Jahres folgen. Diese können Kinder zum Teil selbst mitgestalten. Kulturelle Hintergründe bzw. Besonderheiten betreuter Kinder sollten einbezogen werden. Hier empfiehlt sich ein Austausch mit den Erziehungsberechtigten bereits vor Abschluss des Betreuungsvertrages.

Kinder bei der Vor-, Zu- und Nachbereitung von Mahlzeiten einzubeziehen, fördert ihre Selbstständigkeit, Fähigkeiten und Fertigkeiten und kann zum Probieren ungewohnter Lebensmittel motivieren. 

Im Gespräch mit Erziehungsberechtigten

Vor Abschluss des Betreuungsvertrages sollten Erziehungsberechtigte die Kindertagespflegeperson über den Ablauf, die Rituale und Prinzipien bei Mahlzeiten informieren, an die das Kind von Zuhause gewöhnt ist und sich wiederum über die Strukturen aufklären lassen, die es in der Kindertagesbetreuung erwartet. So können beiderseitiges Verständnis und eine gute Eingewöhnung des Kindes in den Betreuungsalltag gefördert werden. Durch aktives Einbinden der Kinder in die Vor-, Zu- und Nachbereitung der Mahlzeiten trainieren sie wichtige Fähig- und Fertigkeiten und erste Hygieneregeln.

Ausführliche Informationen

(1) Hygiene am Esstisch, Regeln und Prinzipien

Folgen gemeinsame Mahlzeiten einer wiederkehrenden Struktur, gewinnen Kinder Sicherheit in der Situation und können Essenszeit klar von anderen Zeiten wie Spielen oder Schlafen abgrenzen.

Hygieneregeln | Erste Hygieneregeln (siehe Lebensmittelhygiene) können eingeführt werden:

  • Der gemeinsame Gang ins Badezimmer zum Händewaschen, bevor sich an den Esstisch gesetzt wird
  • Das Abwischen von Mund und Fingern an einem feuchten (Wasch-)Lappen oder einer Serviette
  • Das erneute Händewaschen nach Beenden der Mahlzeit
  • Entwicklungsentsprechend das Husten und Niesen in die Armbeuge

Fester Sitzplatz | Ein fester Sitzplatz am Esstisch kann insbesondere jüngeren Kindern eine hilfreiche Struktur und Verlässlichkeit sein. Bei älteren Kindern kommt eher der Wunsch nach Platztausch auf. Strukturen sollten flexibel gehandhabt werden.

Kulturelle Unterschiede | Im Kennenlerngespräch können solche Feinheiten und ihr Umgang während der Betreuungszeit besprochen werden. Es fördert die Toleranz und das Verständnis untereinander, wenn Kinder einer kulturell gemischten Gruppe die Gepflogenheiten der anderen kennenlernen können.

Nachahmung | Kinder lernen durch Beobachten und Nachahmen der Bezugsperson zum Beispiel das Besteck zu benutzen. So können sich Regeln bei Tisch spielerisch und ohne Druck etablieren.

Beginn und Ende einer Mahlzeit | Kinder unter drei Jahren sollten eine Mahlzeit anfangen können, sobald sie Essen auf ihrem Teller haben. Der gemeinsame Beginn einer Mahlzeit kann mit älteren Kindern geübt werden.

Schnell essende Kinder können Unruhe an den Tisch bringen, wenn sie nicht aufstehen und spielen gehen dürfen. Ihre Ungeduld kann langsam essende Kinder stören und dazu verleiten, die Mahlzeit ebenfalls zu beenden, obwohl sie noch nicht satt sind. Es ist an den Kindertagespflegepersonen, die jeweilige Situation einzuschätzen und entsprechend flexibel zu gestalten. Stehen Kinder hungrig vom Tisch auf, kann sich eine Situation ergeben, in der ständig zwischendurch gegessen wird, aber nicht zu den eigentlichen Mahlzeiten; das sollte vermieden werden. Es ist Kindern zuzutrauen, Hunger auszuhalten und zu lernen, zu festen Essenszeiten zu essen. Wird der Snack am Nachmittag immer zur selben Uhrzeit angeboten, können Kinder sich darauf einstellen, wann es das nächste Mal die Möglichkeit gibt, etwas zu essen.

(2) Tischrituale, Tischsprüche und Lieder

Tischrituale | Das Pflegen von Tischritualen fördert das Gemeinschaftsgefühl und stimmt durch die tägliche Wiederholung auf eine Mahlzeit ein. Es gibt familiäre Rituale, kulturelle und religiöse Gewohnheiten, die die soziale Interaktion am Esstisch begleiten. Mahlzeiten erhalten durch Rituale einen Rahmen, der von Kindern von klein auf gerne aktiv mitgestaltet wird. Es kann sich um Tischsprüche, -gebete oder Lieder handeln, die gemeinsam aufgesagt bzw. gesungen werden.

Kultureller Rahmen einer Mahlzeit | Kindern aus anderen Kulturen können Rituale geläufig sein, die sich von denen in der Kindertagesbetreuung unterscheiden. Wenn sie zum ersten Mal in die Betreuung kommen, sind für sie nicht nur die Umgebung und die Personen ungewohnt, sondern auch der Ablauf des Essens und oftmals die Speisen selbst. Es kann helfen, wenn eine erziehungsberechtigte Person in der ersten Zeit das Kind beim Essen begleitet.

(3) Umgang mit Süßigkeiten

Bis Kinder zum ersten Mal mit Süßigkeiten in Berührung kommen, kennen sie diese weder noch vermissen sie sie. Die Aufnahme von Zucker erfolgt zunächst über natürliche Quellen wie Gemüse, Obst und Milchprodukte, bis Süßigkeiten und gesüßte Getränke im familiären Alltag dazukommen können.

Frühstück | In der Kindertagespflegestelle sollten Brotaufstriche wie Marmelade, Honig oder Sirup nur selten bis gar nicht zur Auswahl stehen, da sie große Mengen Zucker enthalten. Dadurch würde schnell die maximal empfohlene Menge an Zucker überschritten. Sie liegt bei 10 Prozent der täglich aufgenommenen Nahrungsenergie. Für Kinder zwischen dem vierten und sechsten Lebensjahr entspricht das etwa 150 Kilokalorien, die beispielsweise in drei Teelöffeln Nuss-Nougat-Creme, einem Stück Obstkuchen oder rund 25–30 Gramm Kartoffelchips enthalten sind. Süße Speisen und Naschereien sollten sparsam und bewusst verzehrt werden und dem Elternhaus vorbehalten sein.

Individueller Umgang | Es ist hilfreich, einen bewussten Umgang mit Süßigkeiten zu erlernen. Folgende Empfehlungen können Kindertagespflegepersonen als Orientierung dienen:

  • Süßigkeiten werden weder zum Belohnen, Trösten noch zur Beruhigung von Kindern eingesetzt.
  • Während der Betreuungszeit wird auf Süßigkeiten und Knabbereien verzichtet. Ausnahmen könnten zu besonderen Anlässen gelten.
  • Das Mitgeben von Süßigkeiten und Knabberartikeln seitens der Erziehungsberechtigten ist nicht empfehlenswert.

Das Vorgehen sollte im pädagogischen Konzept (siehe Verpflegungskonzept) dargelegt sein und im Kennenlerngespräch thematisiert und abgeklärt werden.

Besondere Anlässe | Kindertagespflegepersonen haben einen professionellen Bildungssauftrag, in dem die Gesundheitsförderung betreuter Kinder festgelegt ist. Dazu gehört das Erlernen eines angemessenen und bewussten Umgangs mit Naschereien, der zum Beispiel dadurch gelingen kann, dass Süßigkeiten nur zu besonderen Anlässen wie Geburtstagen und anderen Festen angeboten werden. Dadurch, dass mehrere Kinder zugleich betreut werden und alle einen anderen Umgang mit dem Thema Naschen im familiären Alltag pflegen, bietet es sich im Betreuungsalltag an, auf Süßigkeiten und Knabbereien zu verzichten.

(4) Kinder in die Mahlzeitengestaltung einbeziehen

Gemeinsames Kochen und Backen | Koch- und Backaktionen sprechen alle Sinne der Kinder an, machen Spaß und stärken ihre Selbstständigkeit. Kleine Tätigkeiten rund um die Mahlzeiten sollten auf die alters- und entwicklungsentsprechenden Fähigkeiten der Kinder abgestimmt sein: Die Jüngsten können ein Glöckchen läuten oder auf andere Weise die Essenszeit ankündigen. Bereits Eineinhalbjährige können beispielsweise eine Speise umrühren, und Kinder unter drei Jahre können helfen beim:

  • Tragen kleiner Utensilien und Zutaten
  • Ein- und Ausräumen von Schränken
  • Ernten von Gemüse, Obst und Kräutern im Garten
  • Belegen von Teigböden
  • Schneiden weicher Lebensmittel mittels einer Teigkarte

Das Waschen von Lebensmitteln (zum Beispiel Gemüse) sowie das Kneten/ Rühren von Teigen ist meist den Größeren vorbehalten. Jenseits des dritten Lebensjahres fangen Kinder an, Brote mit Aufstrich zu beschmieren, Gemüse und Obst kleinzuschneiden und den Tisch ein- und abzudecken. All diese kleinen Tätigkeiten fördern Neugierde und das Probieren-wollen neuer Speisen. Erste Hygieneregeln können etabliert werden, wie das Hochkrempeln der Ärmel und das Zusammenbinden längerer Haare.

Mit verschiedenen Methoden können (ältere) Kinder zudem an der Planung des Wochenspeiseplans beteiligt werden, und Feedbacksysteme eignen sich, damit Kinder mitteilen können, wie ihnen ein Essen geschmeckt hat (siehe Selbstbestimmung).

Stand: 11/2024

Quellen

  • Deutsche Gesellschaft für Ernährung | FIT KID – Die Gesund-Essen-Aktion für Kitas (2024): Naschen und Knabbern – Maßvoll mit Genuss; zuletzt geprüft am 16.08.2024
  • Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen (Hrsg. | 2024): Bärenstarke Kinderkost. Einfach, schnell und lecker. 15. Auflage. Düsseldorf
  • Deutsche Gesellschaft für Ernährung (2023): DGE-Qualitätsstandard für die Verpflegung in Kitas. 6. Auflage, 2. korrigierter und aktualisierter Nachdruck. Bonn
  • Netzwerk Gesund ins Leben (2023): Wie gelingt das gemeinsame Essen mit Kleinkindern am Familientisch? Nachgefragt bei Gesund ins Leben; zuletzt geprüft am 16.08.2024
  • Abou-Dakn, M. et al. (2022): Ernährung und Bewegung im Kleinkindalter. Aktualisierte Handlungsempfehlungen des bundesweiten Netzwerks Gesund ins Leben. Monatsschrift Kinderheilkunde, Springer Medizin, https://doi.org/10.1007/s00112-022-01519-3
  • Heinis, M. (2022): Essen und Ernährung in der Kindertagespflege. Deutsches Jugendinstitut, München
  • Netzwerk Gesund ins Leben (2022): Essen und Trinken für Kleinkinder. Was kommt auf den Tisch?; zuletzt geprüft am 16.08.2024
  • Nationales Qualitätszentrum für Ernährung in Kita und Schule (2021): Zuckerverzehr von Kindern in Deutschland; zuletzt geprüft am 16.08.2024
  • Nedebock, U. (2019): Essen mit Kita-Kindern. Die kleinen Hefte. Cornelsen, Berlin
  • Nedebock, U. (2018): Rituale bei Kita-Kindern. Die kleinen Hefte. Cornelsen, Berlin
  • Gutknecht, D. und Höhn, K. (2017): Essen in der Kinderkrippe. Achtsame und konkrete Gestaltungsmöglichkeiten. Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau
  • Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz und aid infodienst (Hrsg. | 2017): Esspedition Kita. Ernährungsbildung in der Praxis. 8. völlig überarbeitete Auflage. Stuttgart/ Bonn
  • Beller, S. (2016): Kuno Bellers Entwicklungstabelle 0–9. 10. komplett überarbeitete und erweiterte Auflage, Forschung & Fortbildung in der Kleinkindpädagogik, Berlin
  • Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen (Hrsg. | 2016): Mit Kindern essen. Gemeinsam genießen in der Familienküche. 1. Auflage. Düsseldorf
  • Bostelmann, A. und Fink, M. (2014): Mahlzeiten in der Krippe. Lernchancen erkennen und Essensituationen einfühlsam begleiten. Bananenblau UG, Berlin
  • Van Dieken, C. und van Dieken, J. (2014): Ganz nah dabei – Alltagssituationen in Kitas für 0- bis 3-Jährige. Cornelsen Schulverlage GmbH, Berlin
  • Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (2007): Notenheft „Apfelklops & Co“