Partizipation

Übersicht

Die Möglichkeit, sich einbringen und mitentscheiden zu dürfen, ist ein Schlüssel zur Demokratiebildung. Bereits in der Kindertagesbetreuung sollte Kindern der Weg zur Teilhabe an einer demokratischen Gesellschaft geebnet und entsprechende Werte vermittelt werden. Festgelegt ist das in der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen. Rund um den Esstisch ergeben sich viele Möglichkeiten zur Teilhabe und Demokratiebildung, um Kinder bei der Entwicklung zu selbstbestimmten, eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten zu fördern.

Auf einen Blick

  • Kindertagesbetreuung ist ein Abbild der Gesellschaft und gilt als „Wiege der Demokratie“.
  • Die Möglichkeit der Beteiligung ist essenziell bei der Demokratiebildung.
  • Kindertagespflegepersonen bieten Beteiligungsmöglichkeiten, und Kinder können sich ausprobieren und selbst bilden.
  • Während der täglichen Mahlzeiten ergeben sich vielfältige Möglichkeiten, Partizipation in der Kindertagesbetreuung zu leben.

Im Gespräch mit Kindertagespflegepersonen

Kindertagespflegepersonen sind für Kinder ein Vorbild – auch hinsichtlich der Vermittlung demokratischer Grundwerte und Gesellschaftsstrukturen. Partizipation kann nicht eingefordert werden; sie ist eine Einladung, die von Kindern selbstständig angenommen werden muss. Wichtig ist die Verbindlichkeit von getroffenen Vereinbarungen, denn an ihnen messen Kinder den Sinn und Wert demokratischer Prozesse. Eine professionelle Haltung sowie Selbstreflexion seitens der Kindertagespflegeperson sind grundlegender Bestandteil für eine gelebte Demokratie in der Kindertagesbetreuung. Rund um den Esstisch gibt es vielfältige Möglichkeiten, Kinder teilhaben zu lassen und so ihre Selbstwirksamkeit zu stärken.

Im Gespräch mit Erziehungsberechtigten

Die Kindertagespflegeperson informiert Erziehungsberechtigte über die Möglichkeiten der Beteiligung der Kinder an Entscheidungen. Dabei unterliegen Prozesse der UN-Kinderrechtskonvention, sodass Kinder mit zunehmendem Alter selbstständig und verantwortungsbewusst handeln, um zu einem Teil der demokratischen Gesellschaft heranwachsen zu können.

Ausführliche Informationen

(1) Demokratie und Partizipation als Basis der Frühpädagogik

Die Kindertagesbetreuung gilt als Kinderstube der Demokratie. Damit alle Kinder Chancen- und Bildungsgerechtigkeit erfahren, sollten sie sich von klein auf beteiligen und mitentscheiden können, wenn es um ihre Angelegenheiten geht. Dadurch werden Vielfalt und Demokratiebildung gefördert, und Kinder erfahren Wertschätzung, Selbstwirksamkeit und Respekt.

PartizipationUnter Partizipation wird gleichberechtigte Beteiligung verstanden. Erwachsene haben darauf zu achten, die Gleichberechtigung der Interessen aller zu wahren. Die Partizipation von Kindern folgt fünf Prinzipien:

  • Prinzip der Information – Kinder müssen verstehen, worum es geht
  • Prinzip der Transparenz – Kinder müssen wissen, wie sie sich ausdrücken können, um sich Gehör zu verschaffen
  • Prinzip der Freiwilligkeit – Kinder entscheiden selbst, ob und wie sie ihre Rechte nutzen
  • Prinzip der Verlässlichkeit – Kindertagespflegepersonen sind verlässlich, für die Kinder da
  • Prinzip der individuellen Begleitung – Kindertagespflegepersonen begleiten und unterstützen jedes Kind individuell nach dessen Bedürfnissen

Kinderrechte | In der UN-Kinderrechtskonvention von 1989 sind die Kinderrechte festgehalten, die sich aufteilen lassen in Schutzrechte, Überlebensrechte, Förderrechte und Beteiligungsrechte. Zusammenfassend zielen sie auf die Gleichheit aller Kinder ab. Es geht darum, sie darin zu unterstützen, ihre eigenen Bedürfnisse zu erkennen und zu äußern. Es ist Aufgabe der Erwachsenen, Kinder in ihren Rechten zu schützen, zu unterstützen und sie zu fördern. Die Gesundheitsvorsorge in Artikel 24 bezieht hierbei das Thema Ernährung mit ein.

Kinderrechte in Bezug zu Bildungszielen | Kindertagespflegepersonen sind Kindern ein Wegweiser für demokratische Werte. Dafür benötigen sie einerseits passende Aus- und Fortbildungen, andererseits Zeit für die Selbstreflexion des eigenen Handelns.

Beteiligung und Mitbestimmung | Unterschieden werden kann zwischen der Selbstbestimmung jedes einzelnen Kindes in Abhängigkeit seiner entwicklungsentsprechenden Fähigkeiten und der Mitbestimmung als Teil der Gruppe, wenn es um Entscheidungen für die Gemeinschaft geht.

Kinder müssen von Erwachsenen zur Teilhabe eingeladen und nicht verpflichtet werden. Die Partizipation hat sich in den letzten Jahren zu einem Qualitätsmerkmal in der Kindertagesbetreuung entwickelt. Von besonderer Bedeutung sind die Gültigkeit und Wirksamkeit von gemeinsam getroffenen Vereinbarungen, denn dadurch legen Kinder den Sinn von Demokratie und ihren Werten fest.

Responsives Verhalten | Kindertagespflegepersonen beobachten und stimmen ihr Verhalten auf die Signale von Kindern beim Essen ab – besonders von sehr jungen Kindern, die sich sprachlich noch nicht ausdrücken können und sich zum Beispiel durch Wegdrehen des Kopfes mitteilen. Hier kann mittels Lächel- und Blickdialogen kommuniziert werden, über die Spiegelung von Emotionen und mithilfe von Lautäußerungen, zum Beispiel „Mhm, das schmeckt gut.“. Ältere Kinder, die ihre Eigenständigkeit erproben, zum Beispiel durch Nutzen des Bestecks, sollten darin unterstützt werden (siehe Selbstbestimmung).

Selbstwirksamkeit des Kindes | Damit Selbstwirksamkeit erlernt werden kann, müssen Kinder erfahren, dass ihr Handeln eine Wirkung erzielt. In der Kindertagesbetreuung unterstützen Kindertagespflegepersonen dabei, indem sie Kindern:

  • helfen, ihre Ziele und Absichten zu äußern, zum Beispiel sich Wasser einzuschenken
  • erklären, wann eine Zielerreichung/ Wirkung unrealistisch ist, zum Beispiel wenn der Inhalt einer Karaffe vollständig in ein Glas passen soll
  • eine Alternative aufzeigen, ihr Ziel zu erreichen bzw. helfen, einen Konsens mit anderen zu finden
  • helfen, mit Erfolgen und Misserfolgen umzugehen, zum Beispiel verschüttetes Wasser aufzuwischen

Selbstwirksamkeit fördert das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten im Hinblick auf das Bewältigen von Herausforderungen und gibt Kindern sowohl Sicherheit als auch Selbstvertrauen.

Professionelle Haltung | Selbstreflexion | Biographiearbeit | Ein bewusstes Auseinandersetzen mit der eigenen Essbiographie ist hilfreich, um eine professionelle Haltung gegenüber Kindern einnehmen zu können (siehe Begleitung).

Die Individualität aller betreuten Kinder kann ihre Beteiligung erschweren und einzelne Kinder ausschließen, sodass eine regelmäßige Überprüfung der gewählten Teilhabeprozesse angeraten ist. Hilfreich ist es auch, die Perspektive des Kindes in der Mahlzeitensituation einzunehmen.

Die Selbstreflexion der Kindertagespflegepersonen kann durch Selbstevaluationsbögen unterstützt werden (siehe Literatur- und Medienhinweise).

(2) Demokratie und Partizipation am Bildungsort Mahlzeiten

Ein einheitliches Speisenangebot leistet in der Kindertagesbetreuung einen Beitrag zu mehr Chancen- und Bildungsgerechtigkeit. Das Essen in Gemeinschaft stärkt zugleich das Gruppengefühl und macht Kinder auf Bedürfnisse anderer aufmerksam. Mahlzeiten und ihre Vor- und Nachbereitung sind für Kinder komplexe Situationen mit vielen Bildungsmomenten, die Kindertagespflegepersonen im Rahmen ihres Bildungsauftrags nutzen sollten (siehe Bildungsauftrag Bildungsanlass). Zudem finden sich Gelegenheiten für die kindliche Beteiligung in Form von Entscheidungsmöglichkeiten. Mitbestimmung rund um den Esstisch führt zu mehr Zufriedenheit der Kinder und mehr Freude am Essen selbst. Zugleich sind Mahlzeiten ein täglich wiederkehrendes Element und somit Teil der Alltagspartizipation.

Speiseplangestaltung | Essenswünsche | Durch die Mitgestaltung des Speiseplans lernen Kinder, sich für ihre Interessen und die anderer einzusetzen (siehe Selbstbestimmung). Etwa ab dem dritten Lebensjahr kann die Kindertagespflegeperson den Kindern mithilfe von Bildern eine Essensauswahl präsentieren, aus der sie für die Woche auswählen dürfen. Wichtig ist, die Kinder über das tägliche Speisenangebot zu informieren; das gelingt zum Beispiel über einen bebilderten Speiseplan (siehe Kommunikation).

Beschwerde- und Mitwirkungsmanagement | Kinder sollten die Möglichkeit erhalten, eine Beschwerde vorzubringen, zum Beispiel darüber, wie das Essen geschmeckt hat (siehe Selbstbestimmung); denn auch so können sie eigene Bedürfnisse, ihren Unmut und ihr Unwohlsein ausdrücken. Wege, mit Beschwerden umzugehen, gehören zum aktiven Kinderschutz. Zudem fordert es Reflexionsleistungen der Kindertagespflegeperson.

Atmosphäre | Rituale | Ob Kinder eine Mahlzeit genießen können, ist stark abhängig von der Atmosphäre (siehe Essatmosphäre). Das gemeinsame Festlegen von Tischregeln und Ritualen, zum Beispiel durch die Entscheidung, welches Lied gesungen oder welcher Spruch aufgesagt wird, ist eine weitere Möglichkeit, Kinder zu beteiligen. Sie entwicklungsentsprechend rund um Mahlzeiten einzubinden, dient zugleich der Ernährungsbildung und der Aneignung verschiedener Kompetenzen (siehe Regeln und RitualeKompetenzenBildungsanlass).

Eigenständig essen | Kinder orientieren sich vom Gefüttert-werden auf dem Schoß der Bezugsperson hin zur Teilnahme an der Tischgemeinschaft, wo sie nach und nach den Umgang mit Besteck und Co. trainieren und nur unterstützt werden sollten, wenn sie das möchten (siehe Selbstbestimmung). Kindertagespflegepersonen können Kinder bei der Wahrnehmung von Hunger, Durst und Sättigung unterstützen (siehe Begleitung).

Speisenauswahl | Probieren | Kindertagespflegepersonen stellen ein Speisenangebot zusammen (siehe LebensmittelgruppenSpeiseplanung) und ermöglichen so allen Kindern, ein gesundheitsförderndes Essverhalten zu entwickeln. Dabei entscheiden Kinder selbst, ob, was und wie viel sie aus dem Angebot essen oder auch nur probieren möchten (siehe Selbstbestimmung). Aufgabe der Kindertagespflegperson ist es, motivierend zu begleiten, durch das Mitessen Sicherheit zu geben und Vorbild zu sein (siehe Begleitung).

Gesprächsanlass Essen | Essen und Trinken bieten vielfältige Gesprächsanlässe, an denen sich alle kleinen Tischgäste beteiligen können, und bei denen der Wortschatz und sprachliche Kompetenzen erweitert werden (siehe Bildungsanlass).

Selbstreflexion | Um das demokratische Handeln und Partizipation rund um den Esstisch zu überprüfen, eignen sich für den U3-Bereich zum Beispiel folgende Fragen:

  • Können alle Kinder sinnliche Erfahrungen beim Essen sammeln?
  • Können sich alle Kinder am Esstisch wohlfühlen, sich frei bewegen, miteinander reden und mit Genuss essen?
  • Wie kann ich Hören und Zuhören unterstützen?
  • Welche Rituale am Lernort Mahlzeiten vermitteln Kindern Freude, geben Sicherheit und ein positives Gemeinschaftserlebnis?
  • Wie ermögliche ich Kindern eine gesunde Haltung zum Essen?
  • Reagiere ich responsiv auf das Verhalten jedes einzelnen Kindes? Wird jedes Kind ermutigt, seinem Hunger-, Durst- und Sättigungsgefühl nachzuspüren?
  • Wie reagiere ich selbst auf die Speisen? Wahre ich eine professionelle Haltung?
  • Wie kann ich Kinder ermutigen, unbekannte Speisen zu probieren?
  • Welche Chancen bietet die Mahlzeitensituation, damit Kinder ihre (fein)motorischen Fähigkeiten erproben und entwickeln können?
  • Können alle Kinder entwicklungsentsprechend eigene Erfahrungen machen, zum Beispiel bei der Nutzung von Besteck, dem Eingießen von Wasser in ein Glas, …? Unterstütze ich alle Kinder, wenn sie es wünschen?
  • Können Kinder darüber entscheiden, ob und was sie essen möchten?
  • Können sich alle Kinder entsprechend ihres Interesses und ihrer Fähigkeiten selbst auftun und über die Portionsgröße entscheiden?
  • Werden alle Kinder eingeladen, bei der Vorbereitung der Mahlzeiten mitzuwirken? Wird allen vermittelt, dass ihre Ideen und Wünsche gehört werden?
  • Können sich alle Kinder verständlich darüber informieren, was es zu Essen geben wird?
  • Können alle Kinder gleichermaßen über die angebotenen Beteiligungswege teilhaben? Wo liegen Hürden? Welche Beteiligungsformen könnten den Zustand verbessern?
  • Was könnte stillen, passiven Kindern helfen, sich aktiver einzubringen?

Betreuungskonzept | Im Sinne der Qualitätsentwicklung sollten demokratische Wertevermittlung und Beteiligungsmöglichkeiten rund um den Lern- und Lebensort Mahlzeiten im Konzept jeder Kindertagespflegeperson integriert sein und regelmäßig überprüft werden. Dies lässt sich eng verknüpfen mit einem Verpflegungsleitbild innerhalb des pädagogischen Konzepts (siehe Verpflegungskonzept).

Stand: 11/2024

Quellen